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Barrierefreiheit einfach online prüfen?

Als Agentur, die sich auf barrierefreie Internetauftritte spezialisiert hat, bieten wir nicht nur Design und Umsetzungen an, ein wesentlicher Bereich unserer Tätigkeit ist die Beratung, wie und ob ein Projekt barrierearm gestaltet, erweitert oder umgebaut werden könnte.

Das ist in jeder Hinsicht nicht umsonst, und da ist es verständlich, wenn gerade für die laufende Betreuung nach Einsparungspotential gesucht wird. Ein langjähriger Kunde hat im Internet ein WCAG-Online-Prüftool recherchiert, in der Hoffnung, dass damit die Mitarbeiter vielleicht selbst Barrieren ihrer Website im Blick behalten und beseitigen könnten. Wir bekamen ein „Prüfprotokoll“ und dazu die Frage, was es kosten würde, Nutzen und Qualität des Tools zu ermitteln. 

Antwort: Es ist alles nicht so einfach, wie es ausschaut. Auch die Ermittlung der Kosten ist fast immer komplex und geht über den Umfang eines einfachen Angebots weit hinaus.

Für Laien schwer verständlich, wo doch – je nach Prüf-Software – detailliert Fehler und sogar Lösungswege aufgezeigt werden. Sind also die Prüfprogramme Schrott? Oder wollen wir gar mit einer Beratungsleistung nur etwas verkaufen, das in Wahrheit niemand braucht? Aber so einfach ist es nicht. 

Wir selbst verwenden natürlich auch verschiedene Tools zur Überprüfung unserer eigenen Arbeit. Die WCAG selbst listet eine Reihe von Tools auf, die unterstützend zur Qualitätssicherung verwendet werden können: https://www.w3.org/WAI/ER/tools/
Nicht alle von uns verwendeten sind dort vertreten. Dennoch finden sich 128 Tools in der Sammlung, klickt man „WCAG 2.0“ als Richtlinie an, sind es auch noch 108 Programme. Selbst wenn man all diese Tools nacheinander anwenden würde, hätte man noch immer keine qualifizierte Aussage über den Status der Barrierefreiheit der eigenen Website. Abgesehen davon, dass viele der Tools Eingaben erfordern oder umfangreiches Vorwissen voraussetzen. Woran liegt das?

Zum einen sind viele Kriterien nicht automatisiert prüfbar bzw. die Bewertung des Ergebnisses erfordert Expertenwissen. Zum anderen hat jede Prüfsoftware den einen oder anderen Fokus auf Farben, Validität, Semantik, die Dokumentstruktur oder sogar nur auf Barrieren in PDFs oder HTML-Emails. Ein kleines (und sehr einfaches) Beispiel: Der Alternativtext einer Grafik fehlt, das Prüfprogramm listet einen Fehler, um darauf hinzuweisen. Die Bewertung, ob und in welcher Form ein Alternativtext für die betroffene Grafik überhaupt notwendig ist, obliegt dem Experten, denn nicht jede Grafik sollte einen Alternativtext tragen, z.B. rein dekorative Grafiken sollten ein leeres alt-Attribut mitführen. 

Aus Entwicklersicht sind viele Prüftools sinnvoll, weil man selbst bei gewissenhafter Prüfung und Durchsicht die eine oder andere Barriere oder unnötige Auszeichnung leicht übersieht. Beispielsweise, wenn Links der unterschiedlichen Navigationsleisten, die auf dieselbe Zielseite verweisen, unterschiedliche Ankertexte haben. Oder umgekehrt, der Titel eines Links identisch mit dem Ankertext ist, also eine unnötige Doppelung darstellt. Das sind oft Kleinigkeiten, die durch Tools einfach aufgefunden und beseitigt werden können.

Doch auf Kundenseite hat die Content-Redaktion meist mit ganz anderen Barrieren zu kämpfen, die nicht automatisch geprüft werden können: Wie schreibt man einen sinnvollen Alternativtext? Wie muss ein Linktext lauten, um keine Barriere darzustellen? Was muss als Überschrift ausgezeichnet werden, was als Fettschrift, wie unterstützt das CMS dabei, Content zu strukturieren oder Abkürzungen zu erklären? Accessibility Tools können viele Dinge (derzeit noch) nicht beurteilen, vor allem inhaltliche und strukturelle Barrieren. Und keines der Prüftools kann derzeit auch nur ansatzweise die Umsetzungsqualität im Backend – also dem Interface für die Reaktion – einschätzen: Auszeichnung von Abkürzungen, Pflichtfelder für Alt-Texte, automatische Dokumentstrukturierung etc.

Bei einer Website sind es viele Zähne, die ineinandergreifen müssen. Ein WCAG-konformes Design muss ein barrierearmes Farbkonzept haben, grafisch skalierbar sein, eine gute Usability und Responsive-Fähigkeit bieten. Alles nur schwer durch Tools prüfbar, auch wenn einige der Werkzeuge heute schon Ansatzpunkte liefern, bei denen man zumindest genauer nachsehen kann, ob sich nicht doch eine Barriere eingeschlichen hat, die unentdeckt blieb. 

Die Entwickler müssen nicht nur die Technik entsprechend den Richtlinien entwerfen und umsetzen, sondern auch den Redakteuren alle Werkzeuge an die Hand geben, um Inhalte barrierefrei erstellen zu können. 

Last but not least ist der Redakteur für die barrierfreien Inhalte zuständig und muss entsprechende Kenntnisse erworben haben, wie im Internet barrierefrei publiziert wird – generell und bezogen auf das eingesetzte CMS. Vorausgesetzt natürlich, die Agentur hat ein barrierefrei entwickeltes Webdesign-Konzept gewissenhaft und in enger Abstimmung mit den WCAG-Richtlinien umgesetzt (keine Selbstverständlichkeit, auch dafür sind Spezialisten erforderlich), das CMS ist entsprechend vorbereitet und bietet die notwendigen Funktionen für z.B. Auszeichnung von Abkürzungen, überhaupt an. Hier schließt sich der Kreis, eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. 

Barrierefreiheit ist kein „Zustand“ und auch keine fix und fertig beziehbare Leistung. Sie erfordert meist, dass an vielen Schrauben gedreht wird und jede/jeder im Entwicklungs- und Betreuungsprozess Beteiligte weiß, was sie/er tut. In der Regel ist die Barrierrefreiheit ein längerer Prozess, der Schritt für Schritt Barrieren beseitigt und damit die Zugänglichkeit erhöht. Und zwar für alle User und ihre verschiedensten Bedürfnisse! Es geht dabei nicht um „die Blinden“ oder „die Menschen mit Behinderung“. Es geht um alle Benutzer und um die Qualität der Website. 

Bei Interesse beraten wir gerne über die Möglichkeiten, Ihre Website schrittweise zugänglicher und damit leistungsfähiger zu machen. Oft muss nicht alles neu gebaut werden. Je nach Ausgangslage ist auch in kleinen Schritten Vieles möglich, und auch unter Einbeziehung Ihrer bisherigen Umsetzungspartner als reine Beratungs- und Coaching-Leistung.